MacMaster
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« am: Januar 29, 2004, 14:52:17 Nachmittag » |
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[size=8] > Einmal im Jahr is in jedem Dorf der Ausnahmezustand. Diese Orgie heißt > dann Feuerwehr-, Schützen-, oder Sängerfest oder meinetwegen auch > Hühnerwämserball, is vollkommen egal, weil is alles dasselbe. Dann > wird nen Zelt aufgebaut irgendwo und mindestens drei Tage getestet, > wieviel Ballerbrühe die alte Karkasse noch aufsaugen kann. > > Fängt meist schon Tage vorher an, mit Kränzeflechten, Birkenbraken > anne Verkehrsschilder nageln oder weiß der Henker: Hauptsache mit´n > Trecker rumnageln und Kiste Bier dabei. > > Während die Männer in der Wildnis das gefährliche Tannengrün erlegen, > sitzen die Weibchen im Kreis und basteln daraus meterlange Kränze. So > wird die traditionelle Rollenteilung gefestigt und keiner kommt auf > dumme Gedanken. > > Die Sitte des Kränzens is uralt. Früher bein Schützenfest kamen immer > mehrere Leute zu Tode: Kaputtgesoffen, anner Theke totgetrampelt oder > anner achten Bratwurst erstickt. Ja, und weil das ganze Dorf nach´n > Zeltfest zu tattrig war, um nen Kranz für die Beerdigungen zu flechten > wurden die vorher auf Vorrat fertiggemacht. Musste man Montag dann > bloß noch auf Ende schneiden das Gestrüpp, Papierblume dran und ab > nach´n Friedhof. Heute gib´s ja kaum noch Tote bei Zeltfesten, nich > mal mehr Schlägereien - die warn ja früher der Höhepunkt. > > Die Schlägerei is die Form, in der der Mann vom Lande einem andern > sagt, dass er ihn lieb hat. Und nach der Massenschlägerei in der > Sektbar waren alle Männer Blutsbrüder. Doch die soziale Kälte is auch > auf´m Dorf zu > spüren: Keiner haut mehr dem anderen einfach so einen in die Fresse. > > Ein heimlicher Höhepunkt beim Zeltfest ist der spontane > Geschlechtsverkehr an der Rückwand vom Festzelt. Wenn die Kerle zum > Pissen irgendwo ins Gebüsch verschwinden, erinnern sie sich plötzlich, > dass sie nich bloß ein Loch im Kopp haben, wo man Bier reinschütten > kann, sondern dass es zwischen den Beinen auch wieder rauskann. Und > mit dieser verkümmerten Restexistenz hatten sie früher doch auch immer > viel Spaß. Und jetzt schlägt die erotische Phantasie gnadenlos > zu: Sex ohne sich groß ausziehen zu müssen , is das allergrößte. Hose > is eh noch auf vom Pissen, quasi die halbe Miete. Jetzt fehlt bloß > noch die Gelegenheit. Doch da siehts dann finster aus: > > Die Anzahl der willigen Tanten, die teilentblößt an der Zeltwand > lehnen, hält sich doch in Grenzen. Und so laufen Dutzende von > halbbesoffenen Typen mit offener Buchse hinterm Zelt rum und verstehen > die Welt nich mehr. Müsst Ihr mal drauf achten, so ab 23 Uhr etwa > geht's los: dann schleichen hier überall die Männer durchs > Unterholz.Offiziell wollen sie natürlich nur zehn Liter Gerstenaufguss > nach draußen bringen, in Wahrheit sind sie auf Suche nach erotischen > Abenteuern. Es gibt auch Männer, die gehen zum Pinkeln in den > Toilettenwagen, die haben die Hoffnung schon aufgegeben, dass da > draußen in der Wildnis noch irgendwas zu löten wäre. > > Aber auch bei den andern sieht die Realität nich besser aus: Nach dem > Strullen kommen sie total gefrustet wieder zurück ins Zelt. Früher > entlud sich dann der Frust in einer homoerotischen Ersatzbefriedigung: > Der Massenschlägerei. > > Haben wir schon gesehen: Gibs heute kaum noch. > > Was bleibt also: Das EINE: Körper stillegen durch Alkoholzufuhr. Das > hört sich einfach an, isses aber nich, weil beim Zeltsaufen gibt es > festgelegte Rituale, die man unbedingt beachtet muß: > > 1. > Ein Bier bestellen geht gar nich. Damit sagt man, dass man ne > knickrige Sau is, keine Freunde hat oder Antialkoholiker, quasi das > allerletzte. > > 2. > Also immer mindestens zehn Stück, einen Meter oder ein ganzes Tablett. > Nie vorher abzählen, wie viel Leute um einen herumstehen und dann > genau die Anzahl bestellen. Am besten irgendeine Zahl über die Theke > grölen und ab dafür. > > 3. > Ganz falsch: Die Umstehenden fragen, ob sie überhaupt noch ein Bier > haben wollen. Wichtige Regel: gefragt wird nich. Saufen ist > schließlich kein Spaß. > > 4. > Wenn der Stoff da is, nich blöd rumgucken und überlegen, wem man denn > eins in die Hand drücken soll. Am besten die Gläser wild in der > Umgebung verteilen, denn nur so zeigt man seine Großzügigkeit. Nur der > kleinkarierte Pisser stellt sich da an. > > 5. > Wer zahlt wann welche Runde? In der Regel kommt jeder der Reihe nach > dran. Ganz miese Wichser saufen die ersten neun Runden an der Theke > mit und wenn sie an der Reihe wären, müssen sie plötzlich pissen. Der > erste Besteller bestimmt meist die Dauer des Projekts: Wenn er zwölf > Bier bestellt, müssen alle solange warten, bis zwölf Runden durch > sind. Wichtig ist, dass der Strom nie abreißt. Also wenn alle noch die > Hälfte im Glas haben, sofort die nächste Runde ordern und das neue > Glas in die Hand drücken. Was voll peinlich ist: Mit zwei Gläsern in > der Hand an der Theke stehen, deshalb is Tempo angesagt beim > reinschütten, is schließlich kein Kindergeburtstag. > > 6. > Richtig fiese Schweine bestellen zwischendurch noch ne Runde Korn oder > die absolute Hölle "Meyers Bitter", eine Art grünes Schlangengift, > dass mit dem Eiter von toten Fröschen verfeinert wurde. Hier wird's > ernst. Sollte sich so was andeuten, kann man bloß noch die Flucht > ergreifen. > Merke: > Biersaufen kann man überleben auf´m Zeltfest mit etwas Planung und Glück; > nach Meyers Bitter weigert sich sogar der Notarzt, diese Schweinerei wieder > zu beleben. > > 7. > Konsequent durchgezogen, bist Du normalerweise auf´m Zelt um halb Neun > stramm wie die Kesselflicker. Geht natürlich nich, weil Du kannst ja > noch nich Hause, wegen Verdacht auf Weichei. Was also dann? Pausen > machen! > > Dafür vorgesehen: > > Erstens: Bratwurstfressen > Vorteil: an der Bude gibs kein Meyers Bitter, da bist Du also ne > zeitlang sicher vor der Alkoholvergiftung durch andere. Nu sind die > Bratwurststände auf Zeltfesten immer so konzipiert, dass die Nachfrage > immer größer ist als das Angebot. In der Bude arbeiten auch meistens > Fachkräfte, denen man beim Grillen die Schuhe besohlen kann. Einzige > Qualifikation: sie können mit einem Sauerstoffanteil in der Luft von > unter 1% überleben, deswegen wirken sie auch so scheintot. > > Nu sagt der Laie: wat´n Scheiß, das könnte man doch viel besser > organisieren: > Zackzack kämen die Riemen über´n Tresen. Falsch: die mickrigen > Bratwurstbuden mit den Untoten am Grill stehen da nich aus Versehen, > sondern absichtlich. Hier kann man Asyl beantragen von der Sauferei > und je länger man auf den verholten Prengel warten muss, desto größer > die Überlebenschance. > > Zweitens Tanzen: > Im Vergleich zu Bratwurstfressen natürlich die schlechtere Wahl, weil > anstrengend und mit Frauen. Aber irgendwann geht halt kein Riemen mehr > rein in den Pansen und Du musst in den sauren Apfel beißen. Also zack, > einen Rochen von den Bänken gerissen und irgendwie bescheuerte > Bewegungen machen. Wenn Du Glück hast, spielt die Kapelle mehr als > zwei Stücke und Du kannst Dir ein paar Bier ausse Rippen schwitzen. > Hast Du Pech, kommt sofort nach´m ersten Stück der Thekenmarsch und Du > stehst wieder da, von wo Du gerade geflohen bist. > > Drittens: Sektbar > Eine richtig gruselige Bude, quasi die Abferkelbox im Festzelt. Hier > isses so voll und eng, hier bleibst Du auch noch stehen, wenn's > eigentlich nich mehr geht. Es soll schon Kriegsverletzte gegeben > haben, denen hat man in der Sektbar beide Beinprothesen geklaut und > sie haben's nich gemerkt. Doch der Preis, den Du für die Stehhilfe > zahlst is hoch: Du musst Sekt saufen aus so mickrigen Blumenvasen, die > man von der Spermaprobe beim Urologen kennt. Ziemlich eklig alles. > Wenn's keine Sektbar gibt, gibst meist ne Cocktailbar:> Cocktail heißt > im Zelt aber nich Caipirinha oder Margarita sondern Fanta/Korn oder > Korn mit Fanta. Also vorsichtig! Hier kann's ganz schnell zu Ende > gehen. Eine Alternative für den ganzen schnellen Weg ins Nirwana is > noch der hannoversche Zaubertrank: Lüttje Lage. Vom > Preis-Leistungs-Verhältnis her immer noch ne reelle Sache: So besäuft > sich der kritische Verbraucher und hat es ruckzuck geschafft. Doch > bevor Du nach Hause darfst, kommt noch ein ganz wichtiger Punkt, > nämlich... > > Viertens: Kotzen > Klingt scheiße, Du wirst aber dankbar sein, wenn Dein Körper Dir > dieses Geschenk bereitet. Du hast Platz für neue Bratwürste und > vielleicht sogar Glück, dass Du die letzten zwanzig Bier noch > erwischt, bevor sie Dein Gehirn erreicht haben. Der Profi jedenfalls > kotzt oft und gern. - So jetzt wären wir auch schon bald beim > Nachhause gehen. > > Haha. > Wenn Du aber den Zeitpunkt verpasst hast, und Du kommst vom Pissen > oder Bratwurstkotzen wieder ins Zelt und es sind bloß noch zwanzig > Mann übrig. > Ätsch: > Arschkarte gezogen. Denn jetzt heißt es: > > Fünftens: Die Letzten > Ab jetzt geht es um so spannende Sachen wie Fassaussaufen - es is > immer mehr drin, als Du denkst, oder Absacker trinken, wenn's ein > Meyers Bitter ist, kannst Du Dir gleich den Umweg über den Notarzt > sparen und den Bestatter anrufen. Jeder passt jetzt auf, dass keiner > heimlich abhaut. Die ersten sacken einfach so vor der Theke zusammen, > damit sie jedenfalls nich noch mehr saufen müssen. Vorteil dieser > Phase des Zeltfestes: Du musst nich mehr extra mehr nach draußen > latschen für Pissen und Kotzen: geht jetzt alles vor Ort. > > Sechstens: Nach Hause > Fällt aus. Mach Dir keine Illusionen: alleine schaffst Du's nich mehr, > Taxis gibst nich auf´m Land, und wenn, würden sie Dich nich mitnehmen. > Deine Frau kommt nich, um Dich zu holen, die is froh, dass dieses > Wrack nich inner Wohnung liegt und der Gestank in die Möbel zieht. > > Was bleibt ist... > > Siebtens: Der Morgen danach > Die ersten Sonnenstrahlen brechen durch die Ritzen in der > Zeltfestplane. Du wirst wach von einem Zungenkuss, wie Du ihn noch nie > in Deinem Leben gekriegt hast. Leidenschaftlich küsst Du zurück. Dann > machst Du Deine verklebten Augen auf und blickst in das fröhliche > Gesicht des zottigen Köters von dem Karusselfritzen. Und mit einem > eigenen Beitrag zum Thema Würfelhusten fängt der Tag wieder an. Dein > Kopf fühlt sich an wie nach einem Steckschuss. Jetzt hilft nur noch: > Stützbier bis die Maschine wieder halbwegs normal läuft. [/size]
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